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Gegen Corona gibt es bald einen Impfstoff — gegen den Klimawandel nicht

Im Kampf gegen COVID-19 dürfen Regierungen nicht vergessen, Menschen gegen extremes Wetter zu wappnen.
, WFP Deutsch
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El Salvador: Der Tropensturm Amanda am 31. Mai verwüstet Häuser und Infrastruktur. Foto: WFP/Mauricio Martinez

Die anhaltende COVID-19-Pandemie stellt das Risikomanagement von Regierungen mehr auf den Prüfstand denn je. Mit 130 Millionen Menschen, die dieses Jahr zusätzlich Gefahr laufen, in schweren Hunger abzurutschen, drohen Millionen Lebensgrundlagen zu zerbrechen.

Die Länder sind nicht nur mit der Pandemie selbst konfrontiert, sondern auch mit einer Mischung regionaler und globaler Probleme. Dazu gehören die Klimakrise, die die Reaktionen auf das Coronavirus weltweit erschwert und die wirtschaftliche Rezession.

Über die letzten Monate — zeitgleich mit Ausbruch des Virus — waren gefährdete Ländern immer stärker von Extremwetterereignissen betroffen. Auf den pazifischen Inseln wurde der Kampf gegen das Coronavirus etwa vom tropischen Zyklon Harold untergraben, der Straßen, Landebahnen und Essensvorräte in Vanuatu, den Salomonen, Fiji und Tonga wegfegte.

In Ostafrika haben schwere Überschwemmungen und Heuschreckenplagen 90 Millionen Hektar Ackerfläche getroffen, Menschen aus ihrem Zuhause vertrieben und die regionale Ernährungskrise verschärft, von der bereits fast 30 Millionen Menschen betroffen waren.

Die Zyklone Amphan und Nisarga haben Indien und Bangladesch getroffen und stellten Behörden nicht nur vor die Herausforderung, Kontaktbeschränkungen in Notunterkünften umzusetzen und medizinische Einrichtungen zu schützen — die während dem COVID-19-Ausbruch überlebenswichtig sind — sondern auch auf die Auswirkungen der immer stärkeren Hitzewellen zu reagieren.

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El Salvador: WFP unterstützt Menschen nach dem Tropensturm Amanda im Mai. Foto: WFP/David Fernandez

Diese Klimagefahren erinnern uns daran, dass wir nicht in einer Welt mit einem einzigen Risiko leben. Die Welt ist dynamisch, miteinander verbunden und die größten Bedrohungen für Gesellschaften tauchen nicht nacheinander auf. Sie treten parallel auf, setzen sich über Grenzen hinweg und verschärfen sich gegenseitig.

Das gilt für Pandemien, globale Finanzkrisen, Cyberangriffe, aber auch Klimaschocks. Und es zeigt, welche Bedrohungen zu wichtigen „Risiko-Multiplikatoren" werden, während sich die Erde weiter erwärmt. Sie führen zu einer Reihe neuer Probleme wie Konflikten und dem Zusammenbruch landwirtschaftlicher Wertschöpfungsketten.

Einmal gefährdet, werden Haushalte schnell anfällig für neue Risiken . Die zahlreichen negativen Auswirkungen einer einzigen solchen Krise auf Einkommen und Vermögen der Menschen verringern drastisch ihre Fähigkeit, neue und zusätzliche Probleme zu meistern.

In Bangladesch unterstützen WFP und seine Partner die Regierung dabei, sich auf die Auswirkungen der kommenden Überschwemmungs- und Zyklonsaison vorzubereiten — während sie mit der Pandemie kämpft. Letztes Jahr ermöglichte WFP Bargeldzahlungen für 4.500 Familien schon bevor sie von den Monsunüberschwemmungen getroffen wurden. Um jetzt schnell auf die Änderungen der humanitären Bedarfe zu reagieren, baut WFP auf Basis der Erfahrungen des letzten Jahres auf und arbeitet mit dem UN Office for the Coordination of Humanitarian Assistance(OCHA) zusammen, um das sogenannte „forecast-based financing" auszuweiten. Dank forecast-based financing, also der Finanzierung von Hilfsmaßnahmen auf Basis von Prognosen, können sich die lokale Bevölkerung und die Helfer gezielt schon vor dem Eintritt des Notfalls helfen. Dieser Mechanismus beugt Klimaschocks vor und stärkt die Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften.

Viele Menschen die 2019 noch nicht bedürftig waren, sind durch die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen von COVID-19 jetzt in die Bedürftigkeit gerutscht. Diese Menschen in präventive Bargeldtransferprogramme einzubinden, hilft der Regierung, zwei Risiken gleichzeitig zu bewältigen.

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Bangladesch: Feroze, ein Kleinbauer der Reis und Mais anbaut, sucht nach dem Monsunregen mit seiner Familie Zuflucht in einem höher gelegenen Gebiet. Foto: WFP/Sayed Asif Mahmud

Obwohl humanitäre Hilfe den Verlust von Menschenleben minimieren kann, brauchen Regierungen längerfristige Strategien und Systeme, um mit der Realität einer immer risikoreicheren Welt umzugehen.

Während für COVID-19 vielleicht ein Impfstoff gefunden wird, gibt es keinen Impfstoff für unkontrollierbaren Klimawandel. Weil die Klimabedingungen immer extremer und unvorhersagbarer werden, werden Kleinbäuer*innen noch lange nachdem wir die Pandemie unter Kontrolle gebracht haben auf vertrocknete Felder und leere Silos zeigen.

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Tschad: Die trockenen Böden von Batha im Sahel. Foto: WFP/Maria Gallar

Dürren, Überschwemmungen und Stürme werden von weniger üblichen Gefahren wie Schädlingsbefall, Hitzewellen, dem Verlust von Biodiversität und Ressourcenkonflikten verschärft. Solche neuen Realitäten werden noch zerstörerischer sein als die globale Gesundheitskrise, die wir gerade durchleben. Aus diesem Grund müssen wir sie jetzt (an)erkennen und in nationale Anpassungspläne und Systeme übersetzen, damit Länder auf das vorbereite sind, was unweigerlich kommen wird.

Wie können humanitäre Organisation angesichts dieser neuen und neu entstehenden Situationen helfen?

Humanitäre Helfer*innen haben zunächst jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit Risiken. Sie verstehen, wie Krisen entstehen, wie Regierungen immer wieder dazu gezwungen werden, die immer gleiche Art von Schocks aufzufangen und wie viel es kostet, wenn Hilfe zu spät kommt: Sowohl auf humanitärer als auch auf finanzieller Ebene.

Humanitärer Helfer*innen verstehen außerdem die Relevanz von Programmen zur Risikominimierung und dem Risikotransfer, obwohl diese weltweit noch immer stark unterfinanziert sind. Aufgrund steigender Risikomultiplikatoren können humanitäre Institutionen effektive Partner für Regierungen sein, um risikobewusste Entwicklung umzusetzen. Sie helfen Ländern dabei, Umweltlösungen, Klimarisikoversicherungen, sozialen Schutz, Frühwarnsysteme und Katastrophenvorsorge in Planungs- und Investitionsentscheidungen zu übersetzen.

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Mosambik: WFP-Unterstützung in der Trockenzeit wird von USAID finanziert. Foto: UN Mosambik/Karel Prinsloo

Der Umgang mit der COVID-19-Krise hat viele Regierungen dazu gezwungen, über die reale Klimakrise nachzudenken. Diese wird oft als „globaler Notfall" bezeichnet — aber aus den internationalen Klimaverhandlungen kommen nicht unbedingt konkrete Maßnahmen.

In einer Zeit, in der Risiken Grenzen überschreiten — und wenn diese Risiken zu einem Dominoeffekt aus sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen führen — sind nur gut vorbereitete nationale Systeme in der Lage, mit einer risikoreicheren und unsichereren Zukunft umzugehen.

Die Zeit nach COVID-19 stellt eine beispiellose Gelegenheit dar, die Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften massiv auszubauen. Die Voraussetzung ist, dass keine neuen steuerlichen oder finanziellen Anreize setzen, die den Status quo aufrechterhalten, und erkennen, wie wichtig es ist, von einer fest verwurzelten Praxis des Feuerlöschens zu einem vorausschauendem Umgang mit neuen Risiken überzugehen.

Mehr zum Klimschutz von WFP.